La Paz-KI

Kleiner Fußballer

Eine kleine und frei erfundene Geschichte rund um den Club Bolivar, La Paz, Bolivien

Scheiße. Der Ball war weg. Den würde er sicher nicht wiedersehen. Bitter. Einen neuen Ball konnte er sich so schnell nicht leisten, das war klar. Dabei hatte dieser Sonntag so gut begonnen.
Mateo war schon früh aufgewacht. Sein Zimmer lag im dritten Stock auf der Straßenseite. Und diese Straße, die Federico Zuazo, war laut. Weniger laut als viele andere Straßen, aber immer noch laut.
Jetzt kitzelten erst einmal die Sonnenstrahlen Mateos Gesicht, die durch das Fenster seiner Wohnung fielen. Matteo zog sich schnell an und eilte in die Küche, wo seine Mutter das Frühstück vorbereitet hatte. Es gab warme Salteñas, gefüllte Teigtaschen. Zusammen mit seinen drei Geschwistern genoss Mateo das Frühstück, bevor er sich auf den Weg zu seinem besten Freund machte.
Beim Snack El Gustito holte Mateo sich noch heimlich eine Cola – seine Eltern hassten es, wenn er sie trank, aber er liebte das Zeug nun einmal. Er fand es besser als Api, dass er immer im Stadion zu seinen Buñuelos trank, wenn er mit seiner Familie ein Spiel besuchte.
Ach, La Paz. Eine Wahnsinnststadt – nicht nur für Mateo, der hier seine Kindheit verbrachte, sondern auch für die Welt. Mateo war stolz darauf, dass hier der höchste Regierungssitz des Planeten lag: Über 3.000 Meter hoch lag die bolivianische Hauptstadt. Und die noch größere Nachbarstadt El Alto lag sogar über 4.000 Meter hoch. Und die Höhenunterschiede der Gegend sollte auch sein Ball später am Tag zu spüren bekommen.
Die Straßen von La Paz waren wie immer voller Leben, und Mateo grüßte freundlich die Nachbarn und Marktverkäufer. Gerade hatte es wieder einmal ein Militärputsch gegeben. Ohne Erfolg diesmal, aber Mateo war das eh egal. Denn der zwölfjährige hatte andere Gedanken im Kopf. Er wollte einmal so gut Fußball spielen wie Yomar Rocha, Rechtsverteidiger bei seinem „Club Bolivar“. Rocha war schnell und verteidigte nicht nur gut, sondern dribbelte auch stark und war sogar torgefährlich.
Also rannte Mateo zusammen mit seinem Freund Ramiro zum Parque Urbano Central. Da gab es ein paar Bolzplätze und um diese Uhrzeit war sicher noch ein Tor frei, auf dass sie schießen konnten.
Leider kamen nach einer halben Stunde die Großen und nahmen ihnen den Platz weg – also gingen Mateo und Ramiro durch die Straßen, bevor sie zum Mittagessen zu Ramiro nach Hause gingen. Es gab Pique Macho, ein würziges Gericht mit Rindfleisch, Wurst, Tomaten und Pommes. Weltklasse, fand Mateo.
Jetzt waren sie zwar satt, aber sie wollten den Sonntag noch nutzen, um zu trainieren. Wie sollte man sonst jemals auf dem Feld im Estadio Hernando Siles auflaufen, wenn man nicht jede freie Minute mit dem Ball am Fuß durch die Gegend lief. Auf den Bolzplätzen gab es wieder keinen Platz, also liefen sie einfach so die Straßen entlang. Und da passierte es: Mateo rutschte der Ball unter dem Fuß durch und rollte die Otero de la Vega runter – zuerst langsam, dann immer schneller, noch schneller, weg war er. Kurz blieben Mateo und Ramiro wie festgewurzelt stehen, dann rannten sie los. So einen Ball würden sie so schnell nicht wiederbekommen.
Der Ball war zu schnell. Die Straße war nicht einmal die steilste der Stadt – wenn Mateo zum Vergleich an seine Fahrten mit der Seilbahn hoch über den Stadtvierteln dachte, unter sich die Straßen mit gefühlt 50% Gefälle. Der Ball war nicht mehr zu sehen. Sie fragten die Leute und die riefen ihnen die Richtung zu, in die der Ball weggehoppelt war. Immer mehr Leute beteiligten sich an der Verfolgung. Sie verteilten sich, rannten, riefen sich Hinweise zu, dann war es plötzlich still. An einer Ecke kam ein Mann aus einem Laden und schrie: „Wer hat den Ball in meine Papayas geschossen? Wer war das? Die Hälfte ist hin!“
Die vielen Leute fingen an zu lachen und holten Mateo nach vorne, der völlig erschöpft war. Er erzählte dem Obstladenbesitzer die ganze Geschichte, während die anderen um sie herumstanden und sich amüsierten. Eine Frau rief: „Ich kaufe fünf Papayas, wenn es Ihnen hilft!“ Und eine andere rief: „Ich kaufe sechs!“ Jetzt wollten alle Papayas kaufen und der Ladenbesitzer machte das Geschäft seines Lebens. Mateo und Ramiro verdrückten sich lieber unauffällig mit ihrem Ball. Ramiro meinte: „Du musst echt noch viel trainieren, so schlecht ist Deine Ballbehandlung. Bei jeder Gelegenheit rutscht er Dir unter der Sohle durch!“ Sie mussten lachen, für heute war es echt genug. Mateo sagte: „Aber sind die Leute nicht nett? Groß, klein, alt, jung – alle haben sie uns geholfen! So soll es sein!“ „So soll es sein“, sagte auch Ramiro. „Bis morgen in der Schule, vergiss den Ball nicht!“
„Bis morgen!“, lachte Mateo.
Am Abend versammelte sich seine ganze Familie zum Abendessen. Es gab leckeres Sopa de Mani, eine Erdnusssuppe – sehr beliebt in Bolivien. Die Papaya zum Nachtisch genoss Mateo mit einem breiten Grinsen im Gesicht in vollen Zügen.